Texterella

Freitag, 15. Februar 2013

Darf es ein bisschen weniger sein?

Es ist Fastenzeit. Sieben Wochen lang wird Reduktion für eine ganze Republik zum Lebensprinzip. Für alle? Nun, fast. Für alle – nur nicht für den Kleiderschrank.

Vollgepfropft steht er da. Übersättigt – und dennoch ewig hungrig. Mit einem BMI garantiert jenseits der gesunden Grenze. Gemästet mit den Käufen der letzten Jahre. Verschlackt durch die Fehlgriffe aus unzähligen Sales. Verstopft mit Kleidern, die uns niemals wieder passen werden. Mit modisch etwas zu mutigen Tops aus dem Outlet-Center, mit ach so witzigen Taschen von ebay und natürlich viel zu kleinen Schuhen aus dem letzten Ausverkauf ... Wie haben wir es nur geschafft, uns derart zuzuramschen? Und: Wie werden wir das modische Übergewicht nur wieder los, ohne das Ganze einfach abzufackeln?

Detox my Kleiderschrank? Zu gerne! Wenn die Entgiftungskur für die Garderobe nur so einfach wäre wie die mit Glaubersalz und lauwarmer Gemüsebrühe! Denn wer will das ganze Zeug schon haben? Auf den Flohmarkt damit? Keine Zeit. Und vermutlich regnet’s mal wieder. In den Second-Hand-Shop? Muffig! Miefig! Und garantiert geschlossen, wenn man endlich mit all den Tüten vor der Tür steht. Mädchenflohmarkt.de als digitale Alternative? Mit Klamotten in Größe 44? Vergiss es. Die modisch überflüssigen Pfunde in der Kleidersammlung versenken? No way – ruiniert die Bekleidungsindustrie in Afrika. Ab in den Müllschlucker damit? Nicht vereinbar mit dem sozialen Gewissen. Tauschpartys mit anderen Fastenwilligen? Davon wird das Sammelsurium nicht weniger, höchstens anders. Und vermutlich sogar schlimmer.

Bleibt nur eines, die Ultima Ratio: weniger kaufen. Ebay-Account abmelden. Auf Shopping-Plattformen im Internet die eigene IP-Nummer blocken. Vor allem aber: Sales kategorisch meiden. Und damit die Garderobe langsam und durch natürlichen Verschleiß auf Normalmaß verschlanken. Dann funktioniert das Kleiderschrankfasten auch ohne Heißhungerattacken und bösen Jo-Jo-Effekt.

(Die Glosse erschien am 15. Februar 2013 in der Printausgabe der Welt Kompakt und ist hier online zu lesen.)

 

# 15. Februar 2013 um 21:23 Uhr
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