„Camel ist das neue Schwarz“, lese ich in einer jener Zeitschriften, die auf Hochglanz getrimmt sind und Modetrends machen. Ich stocke. Runzle die Stirn. Lege sie in Falten. Camel – das neue Schwarz? Was für ein Unsinn! Frech geradezu! Als hätte Camel es nötig, das neue Schwarz zu geben, pah.
Camel ist Camel ist Camel. Punkt.
Aber ich will ehrlich sein. Camel hatte es nicht immer leicht mit mir. Und schuld daran war Tante Irma. Sie guckte streng. Sie roch streng. Sie war streng. Und sie trug einen Wintermantel in ... na? Genau! Camel.
Damals hieß Camel allerdings noch Beige. Oder Kamelhaar. Es kam nicht als schmiegsames Kaschmir daher, nicht als großzügige, weiche Shawls oder sinnliche Strickkleider. Nein, Kamelhaar war bieder und altbacken. Eine Farbe wie ein Nichts. Hautfarben eben. Kamelhaar war aber noch mehr als eine Un-Farbe, es war ein Trauma: kurzflorig, kratzig, kastiger Schnitt. Ein Stoff wie eine Ritterrüstung.
Doch dann wurde alles anders. Und aus Bieder-Beige plötzlich Kuschel-Camel. Camel wurde nicht nur salon- und laufstegfähig – Camel wurde sexy.
Gott sei Dank.
Dieser Winter nun hat die sanften Nuancen erneut entdeckt: Creme. Sand. Karamell. Karamell! Allein das Wort ist ein Versprechen. Die Verführung selbst! Besser als jeder Löffel Nutella. Der Winter braucht Camel wie ein Weihnachtsmarkt den Glühwein. Man – sorry, frau! – stelle sich vor: Christmas-Shopping ohne anschmiegsames Kaschmir, das in zartem Creme noch sinnlicher wirkt? Ohne weicher Wolle in warmem Camel? Oder Merino in subtilem Sand?
Das schöne dabei ist: Camel ist unendlich vielseitig. Man kann damit auffallen – oder im Hintergrund bleiben. Lady oder Landfrau geben. Dramaqueen, Businesswoman, It-Girl – alles, alles macht Camel möglich. Kombiniert man verschiedene Nuancen, ist Camel ist klassisch und sophisticated. Es ist glamourös zu sattem Rot oder dramatischen Gold. Zu Schwarz die pure Eleganz im Stil einer Jackie O. Oder ganz erdig und natürlich zur lässigen Jeans.
Von wegen Tarnfarbe! War eine Farbe jemals so bunt wie Camel?
Kein Wunder also, dass ich nicht widerstehen konnte. Dass mein Blutdruck stieg und Endorphine einen Hauch von Rot auf meine Wange zauberten. Ich lächelte selig. Verzückt. Hatte man bei Starbucks meinen Chai eben versehentlich mit Rauschmitteln bestäubt? Anyway – ich hatte es gefunden. Endlich. Ein Winterkleid. Mein Winterkleid. Und es hatte alles, was uns im Winter glücklich macht. Es war kuschelig. Kaschmirig. Und camelig.
Es war perfekt.