Die Amerikaner mal wieder. Kaum läuft es weltpolitisch nicht mehr ganz so rund, bemächtigen sie sich einfach anderer Themen. Und so erklärt die höchste Farbinstanz, die US-Firma Pantone, Grün kurzerhand zur Farbe des Jahres 2013. Punkt.
Widerstand? Zwecklos. Wer hätte auch in einer Welt voller Schwarzseherei und Trübsal etwas gegen so viel Verheißung einzuwenden: Grün steht für Hoffnung, für Balance, für Harmonie und Leben. Eine Farbe, die unsere Sehnsüchte erfüllt und Sicherheit gibt. Und uns – hurra! – sogar Wachstum verspricht. Grün ist der Wunderheiler, der Problemlöser unter den Farben – und das neue Schwarz (ein Schelm, wer dabei an Politik denkt). Dass der Farbton ziemlich unerotisch ist und uns wie lebende Moorleichen aussehen lässt .. nun ja, irgendwas ist ja immer.
Modedesigner schicken ihre Models in wallendem Grün auf die Spielwiesen der Fashion Weeks. Kosmetikhersteller tunken Nägel in pistaziengrünen Lack und lassen unsere Lider waldelfengleich schillern. Autohersteller erheben Knatschgrün zum neuen Trend. Und auch bei Möbeln und Co. sehen wir immer häufiger Grün. Ein Revival der 70er also? Mit Telefonhörern in gedecktem Moos, apfelgrünen Teppichen und wildgemusterten Tapeten in Jade? Nicht ganz. Denn das Grün von heute ist mehr als eine Modefarbe. Es ist eine Haltung. Ein Statement. Die stylische Seite der Weltrettung. Vorbei die Zeiten, da diese mit beiger Jute und ungefärbter Wolle, braunen Birkenstocks und unlackierten Fußnägeln kundgetan wurde. Heute können selbst Fashionistas in High Heels und mit Statement-Bag Regenwälder und Flussdeltas retten! Der Möglichkeiten sind da viele: Upcycling, Vintage oder Eco Fashion – wer sich für Grün entscheidet, kann modische Vielfalt in Buntfarben tragen.
Bleibt zu hoffen, dass Grün nicht nur Saisonware ist und die Farbe das Jahr 2013 überdauert. Potenzial zum Evergreen hat sie genug.
(Die Glosse erschien am 18. Januar 2013 in der Printausgabe der Welt Kompakt und ist hier online zu lesen.)