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Das Psychogramm der Übergangsjacke.

Wer meint, das Frühjahr sei reiner Grund zur Freude, der irrt. Nein, das Frühjahr ist Heimtücke pur. Beim Stadtbummel zum Beispiel: Sonne. 15 Grad. Hurra! Schnell aus der Winterjacke geschlüpft, den Schal in die Tasche gestopft. Doch dann, hinter der nächsten Ecke: eine eiskalte Bö! Und schwups hat man sich eine böse Bronchitis eingefangen. Wie meine Freundin Doris, die eben am Telefon vor lauter Husten kaum zu verstehen war. Wetten, dass Doris am letzten Wochenende keine Übergangsjacke getragen hat? Schon unsere Mütter und Großmütter wussten von schrecklichen Lungenentzündungen zu berichten, die einen auf diese Weise ereilten.

Andererseits: Ich verstehe jede, die lieber hustet, als den Frühling mit einer Übergangsjacke zu begrüßen. Denn diese Dinger sind ungefähr so sexy wie Rentner-Beige. Aber die Übergangsjackenträgerin liebt das Leben auf der sicheren Seite. Das Praktische ist ihre Extravaganz. Einen Knirps in der Tasche, die Plastikmünze für den Einkaufswagen in der Geldbörse, die Warnweste im Auto stets zur Hand. Ja, die Übergangsjackenträgerin ist allzeit bereit.

Hand aufs Herz: Würden Sie sich angesichts dieses Psychogramms zur Übergangsjacke bekennen? Sich sozusagen als Warmduscherin outen? Ich nicht. No risk, no fun. Da schwitze ich lieber in meiner Winterjacke, bis der Sommer kommt. Oder friere mich fröhlich in den Herbst hinein. Schnupfen? Halsweh? Wozu gibt es Apotheken!

Und dennoch ist die Übergangsjacke ein Beststeller. Was ähnlich erstaunlich ist wie die Einschaltquoten bei „Dschungelcamp“ oder „Bauer sucht Frau“ – die Sendungen guckt ja angeblich auch niemand. Übergangsjacken füllen in Modehäusern Ständer um Ständer. Alle mehr oder weniger leicht wattiert, mit Kapuze und zumeist in Tarnfarben. Was nicht schön, aber verständlich ist, denn auch ich bliebe als Übergangsjackenträgerin lieber unerkannt.

Eine Hoffnung allerdings bleibt: der Klimawandel. Wenn die Winter irgendwann mal Sommertemperaturen haben, dürfte auch die Übergangsjacke der Vergangenheit angehören.

Die Kolumne erschient am 4. März 2014 in der WELT kompakt (print und online).

# 18. März 2014 um 16:49 Uhr
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