Texterella

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Auf dicken Sohlen.

Ein bisschen Giraffe steckt wohl in jedem Menschen. Ganz sicher in jedem Modemacher. In jeder Fashionista. Aber auch in allen anderen Frauen – zumindest in denen jenseits von Birkenstock und Bequemtretern, von Fußbett und Vollkorn. Denn eines ist sicher: Durch diesen Sommer werden wir auf Plateauschuhen staksstöckeln. In kleinen, trippelnden Schritten. Hoch konzentriert, um leichtfüßige Eleganz bemüht. Immer das eine Ziel vor Augen: alles, bloß nicht straucheln! Und während wir dann doch taumeln, hören wir die – flachbesohlt-spaßbefreiten – Unken hämisch kichern: Ja, wer hoch hinaus will, der kann tief fallen. Aber was ist schon das bisschen ... Schmerz, der kleine Knacks gegen Endlosbeine bis zum Mond! Eben.

Plateauschuhe sind aber nicht nur Langbeinwunder, sie sind auch die Karrieristen im Schuh-Business: Zunächst mittelalterliche Moraststelze. Alsbald pompöses Schuhwerk lasziver Kurtisanen. Dann schrilles Accessoire von Gary Glitter und Ian Dury, von Elton John und John Travolta. Von ABBA samt „Head over Heals“. Später trugen nicht nur böse Buben dick besohlte Hip-Hop-Treter. Und schließlich schickte Alexander McQueen in seiner letzten Kollektion fragile Models mit schillernden Klumpfüßen auf den Laufsteg.

Plateaus sind also mehr als Schuhe. Sie sind Weltkulturerbe. Ein Muss für jeden, der sich für Geschichte interessiert und auf Bildung hält. Dass sie zudem lange, schlanke Beine machen, schrill und charmant perfekt kombinieren, dass man in keinem Schuh eleganter sitzt und ebenso wenig extravaganter steht, dass sie Modespaß pur sind – nun, das macht sie nicht weniger kultiviert. Sondern höchstens so unverzichtbar wie viel Schaum auf dem Latte Macchiato. Wie den Prickel im Champagner. Oder – Goethes Faust im Bücherregal.

Vor allem aber sind die dicken Sohlen unglaublich wandlungsfähig: Ob zum romantischen Sommerkleid, zum klassischer Anzug oder zur lässigen Jeans. Ob geflochten, gewickelt oder geschnürt. Ob Platforms, Wedges oder Flatforms, mit Sohlen aus Holz, Kork oder Plastik. Plateaus gibt es für alle und jede, für jede Stil und jeden Anlass. Und – in jeder Höhe!

Ich zumindest habe schon ein wenig zur Übung gestöckelt, meine Versicherung angepasst, die Knochendichte gemessen und zusätzliche Therapiestunden vereinbart. Gegen meine Höheangst. Denn ich will in diesem Sommer Höhenluft schnuppern. Und mal die Perspektive verändern. Auch wenn es mit Gefahr verbunden ist. Aber auf den neuen fabulösen Mary Janes mit Holzplateau nehme ich dieses Risiko gerne in Kauf.

# 12. Oktober 2011 um 12:07 Uhr
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